Quantcast
Channel: Kunst – Kulturflaneur

Chaos & Ordnung

$
0
0

„Clash“ heisst die aktuelle Ausstellung des Krienser Künstlers Thomas Muff im relativ neuen Kunstraum Hermann in Hochdorf. Wir waren an der Vernissage und liessen uns überraschen: Von der neuen „Kunsthalle“, von Thomas Muffs neuen Werken und vom feinen Risotto, das draussen im Hof serviert wurde.

In Abstrakt-konkrete Landschaften habe ich Thomas Muffs Arbeitsweise schon einmal beschrieben: Er arbeitet in Schichten. In einer ersten, abstrakten Schicht herrscht das kontrollierte Chaos — Muff trägt Farben nicht gerade Action-Painting-mässig, aber doch grosszügig und grossflächig auf. Inhalte sind noch keine zu erkennen. Für eine zweite, konkretere Schicht projiziert er Fotos und Bilder auf die erste Schicht und überträgt holzschnittartig und selektiv Inhalte auf das entstehende Werk. So kommt Ordnung ins Chaos — zugleich entsteht ein Clash zwischen abstrakter und konkreter Ebene: die wilden Farben in den Leerstellen prallen auf die dunklen, monotonen und ordnenden Strukturen der zweiten Schicht.

Thomas Muff: Le Mont-Blanc, 2013, Acryl und Öl auf Holz, 190 x 170 cm

Bei „Le Mont-Blanc“ ist es umgekehrt: Die inhaltliche Ebene — ein hochformatiger Holzschnitt von Félix Vallotton von 1892 — ist weiss und dominiert die linke Bildhälfte, wo dunkle Farben die sonst schwarzen Flächen des Holzschnitts ausfüllen. In der rechten Bildhälfte, wo die inhaltliche Ebene fehlt, stehen die mit breitem Pinsel und schwungvoller Bewegung aufgetragenen abstrakten Strukturen im Gegensatz zu den links zitierten Bergen Vallottons, und setzen sie zugleich fort, wenn auch in anderer Form. Manchmal ergänzen sich die beiden Ebenen aber auch, indem die wilden Farbflächen der Chaos-Ebene scheinbar zu Inhalten der Konkret-Ebene werden. Plötzlich werden so Pinselschlieren und gelb-braune Flächen zu Felsen und herbstlich gefärbten Wiesen im Vordergrund einer Passlandschaft.

Thomas Muff: Pass, 2015, Öl auf Holz, 190 x 190 cm

Ölberge und Wagemutige

Neu für mich waren nicht nur die Vallotton-Zitate — die Holzschnitte eignen sich für Thomas Muffs zweite Bildebene hervorragend und funktionieren wie die selektiven Bildelemente aus privaten Fotos und Bildern, sondern auch die dreidimensionalen Objekte und die letztes Jahr begonnene Serie Daredevils. Etwas biblisch sind die Berge aus Ölfarb-Resten benannt: Die Ölberge im Untergeschoss sind ein witziges und überaus farbenfrohes Nebenprodukt von Muffs Ölmalerei. Mit den Bergen verbunden sind auch die allermeisten Daredevils, Wagemutige, die den Teufel herausfordern. Dabei handelt es sich meist um berühmte Bergsteiger, wie Anderl Heckmair, Wanda Rutkievicz oder Edmund Hillary, oder um Entdecker, wie Vasco da Gama, der den südlichen Seeweg nach Indien fand. Zu erkennen sind sie auf den Beinahe-Portraits allerdings kaum — Thomas Muff malt diese Wagemutigen nämlich ebenfalls in zwei Schichten: Zuerst die Chaos-Schicht und dann das Portrait, das heisst: Muff übermalt alles, was nicht zur abgebildeten Person gehört, in einheitlichen Farbtönen. Zu sehen ist schliesslich meist nur der Umriss des/der Wagemutigen, nur in wenigen Bildern auch weitere Details des Gesichts. Innerhalb der Konturen des Daredevils verbleibt Thomas Muffs Wagemut der ersten Schicht…

Unwahrscheinlich, dass Thomas Muff genau dieses Portrait des Everest-Bezwingers als Vorlage für sein Daredevil gewählt hat, dennoch finde ich, dass die beiden sich ähneln und etwas Wagemutiges im Gesicht haben: Edmund Hillary, 2014, Öl auf Holz, 65 x 50 cm

„Clash“, die absolut sehenswerte Einzelausstellung von Thomas Muff, widerspiegelt sehr schön die Entwicklung des Künstlers in den letzten zwei, drei Jahren. Zu sehen ist sie noch bis am Freitag, 23. Oktober 2015, im Kunstraum Hermann in Hochdorf. Dieser vom Holzskulpturen-Künstler Alois Hermann initiierte Kulturraum versprüht viel Charme und ist an sich schon eine Reise wert. Nächsten Sonntag, am 27. September, gibt’s übrigens um 11 Uhr eine Führung durch die Ausstellung im Beisein des Künstlers. Ob wieder so ein feines Risotto serviert wird, wie an der Eröffnung, weiss ich nicht.

⇒ Die Werk-Abbildungen im Text stammen von Thomas Muffs Homepage
⇒ Der Kunstraum Hermann auf stories & places

FacebookTwitterGoogle+Empfehlen


Dem See entlang schlängeln

$
0
0

Der goldene Herbst führte uns letzte Woche an den Lungernsee, einen Naturstausee im Kanton Obwalden. Die Wanderung von Giswil nach Lungern ist eher kurz, aber abwechslungsreich. Und wie die Bilder zeigen, gab es unterwegs doch einiges zu sehen.

Die Route

Wanderung auf der Via Jacobi von Giswil nach Lungern

Startpunkt unserer Wanderung ist Giswil (1), das mit der Zentralbahn von Luzern aus bequem zu erreichen ist. Der Wanderweg folgt der Giswiler Aa bis in den Talgrund. Dann steigt er ca. 200 Höhenmeter auf eine Geländestufe mit dem Namen Kaiserstuhl (2). Hinter diesem Riegel öffnet sich das Tal für den Lungernsee (3). Während die viel befahrene Brünigstrasse auf der Ostseite des Sees verläuft, schlängelt sich der Wanderweg dem westlichen Ufer (4) entlang. Am Ende des Sees sind die Dundelbachfälle (5) – die beiden Wasserfälle sind sicher nicht die spektakulärsten der Schweiz, aber durchaus sehenswert. Der untere Wasserfall ist in einem Abstecher von nur drei Minuten von der Hauptroute zu erreichen. Lungern (6) schliesslich ist das letzte Dorf im Obwaldner Tal. Der Bahnhof der Zentralbahn liegt oberhalb des Dorfs, denn ab hier überwindet die Zentralbahn eine weitere Geländestufe Richtung Brünig mittels Zahnrad. Doch für uns endet hier die Wanderung.

Der Talgrund (1)

Unterhalb des Schuttfächers ist die Laui kanalisiert. Im Hintergrund links geht’s Richtung Brünig.

Die Kirche von Giswil thront mitten in der Talebene auf einem Hügel.

Die liebliche, sattgrüne Weite des Obwaldner Tals mit dem Alpnachersee und dem Sarnersee endet hinter Giswil relativ abrupt. Abgesehen von der Kirche, die auf einem Hügel mitten im Tal steht, und dem Laui-Schuttfächer, der von Westen ins Tal drängt, ist der Talgrund von Giswil ist topfeben. Während die Umfahrungsstrasse schon in Giswil-Nord in einem Tunnel verschwindet, der Richtung Brünig ansteigt, und die Bahn unmittelbar hinter dem Bahnhof die Geländestufe zum Kaiserstuhl mittels Zahnrad in Angriff nimmt, bleibt der Wanderweg bis hinten im Tal in der Ebene, um dann rasch anzusteigen und zuerst die Strasse zu unter- und dann die Bahn zu überqueren.

Der Blick zurück über das Aaried nach Giswil. Links hinter der orangen Stange der Laui-Schuttfächer.

Die Geländestufe (2)

Im Anstieg auf den Kaiserstuhl wird Frau Frogg von einem ADLER der Zentralbahn überholt.

Herbstlaub im Aufstieg auf den Kaiserstuhl

Auf der 78 km langen Schmalspur-Strecke von Luzern über den Brünig nach Meiringen und Interlaken überwindet die Zentralbahn Steigungen von über 10%. Die Zentralbahn, die 2005 aus dem Zusammenschluss der SBB Brünigbahn und der Luzern-Stans-Engelberg-Bahn entstanden ist, vermarktet mit der BLS und der Montreux-Berner Oberland-Bahn (MOB) die GoldenPassLinie, eine Touristenbahn von Luzern nach Montreux via Interlaken. Die 189 km lange Reise vom Vierwaldstättersee an den Lac Léman dauert fast fünf Stunden und hat einen grossen Haken: Da der mittlere Abschnitt zwischen Interlaken und Zweisimmen Normalspur ist, muss man zweimal umsteigen…

Der Kulturflaneur auf der Betonbrücke über die Brünigbahn fotografiert schneller als sein Schatten.

Deshalb träumten Bahntouristiker lange von einem dritten Gleis zwischen Interlaken und Zweisimmen, so dass die Meterspurzüge auch auf dem 53 km langen Normalspurabschnitt hätten verkehren können. 2006 platzte dieser Traum aus Geldmangel. Stattdessen werden jetzt in Zweisimmen Spurwechselanlagen gebaut, die es ermöglichen, das Rollmaterial umzuspuren — von 1435 auf 1000 mm Spurbreite und umgekehrt. Dank eigens entwickelten Drehgestellen werden bald spurwechselfähige Züge zwischen Montreux und Interlaken verkehren können. Bis auch in Interlaken Umspuranlagen gebaut werden, fahren ADLER von Stadler über den Brünig: ADLER (= Alpiner, dynamischer, leiser, edler Reisezug) heissen die neuen siebenteiligen Zahnradtriebzüge der Zentralbahn.

Föhnlinse über Mittelhorn (3704 m) und Wetterhorn (3692 m) im Berner Oberland

Das letzte noch fehlende Teilstück der A8

Nach etwa eineinhalb Stunden erreichen wir Kaiserstuhl (OW), einen Weiler der Gemeinde Lungern. Die Lage am unteren Ende des Lungernsees ist idyllisch und es ist gerade noch warm genug, um draussen auf der Terrasse des Hotel & Restaurant Kaiserstuhl (ein Betrieb von Sinnvoll Gastro) das Mittagsmenu zu geniessen. Hier treffen Wanderinnen auf Ausflügler, Handwerker auf Durchreisende, Familien auf Töfffahrerinnen. Allerdings der Lärm von der Strasse ist beträchtlich: Im Gegensatz zu Giswil oder Lungern leidet Kaiserstuhl unter dem Durchgangsverkehr auf der Brünigstrasse, denn von Giswil-Süd bis Lungern-Nord wird der gesamte Verkehr auf der A8 (ca. 10’000 Fahrzeuge pro Tag) über die Kantonsstrasse geführt — das fehlende Teilstück der A8 ist 3600 Meter lang, kostet 268 Millionen und ist das letzte noch fehlende A8-Strassenstück in Obwalden. Obwohl ich ein Mittagessen mit weniger Verkehrslärm gut gefunden hätte, bin ich mir nicht sicher, ob der Kaiserstuhl-Tunnel eine gute Sache ist.

Der Stöpsel (3)

Der Mönch im Lungernsee – in der Teichwirtschaft wird das regulierbare Ablaufbauwerk Mönch genannt, wobei Teichwirtschaft im Fall des Lungernsees eine glatte Untertreibung ist.

Haus mit Holzmaske in Kaiserstuhl

Der gigantische Stöpsel (Mönch ist der Fachausdruck) im Lungernsee gehört zum Kraftwerk Unteraa der Elektrizitätswerke Obwalden (EWO) und dient der Regulierung des Seespiegels. Der Lungernsee ist ein Naturstausee, d.h. hinter dem Felsriegel von Kaiserstuhl war schon immer ein See, nur die Höhe des Seespiegels ist seit etwa 1700 ein Politikum. Damals hatten die Lungerer die Idee, mit einem Stollen das Wasser aus dem See abzulassen und so Land für Kartoffeläcker zu gewinnen. Das Dorf war gespalten in die Ablehner und Befürworter der Absenkung, die „Nassen“ und die „Trockenen“. Es dauerte von 1790 bis 1836, bis nach mühevoller Arbeit ein 420 Meter langer Stollen fertiggestellt war und 170 ha Land gewonnen werden konnte (vgl. Wikipedia über den Lungernsee). Doch die Freude der „Trockenen“ dauerte nur 85 Jahre, denn 1921 wurde der See für die Stromproduktion wieder aufgestaut. Im Winter ist seither der Wasserpegel massiv tiefer als im Sommer und es zeigen sich unschöne „Stauseeränder“. Obwohl mit einem immer vollen Stausee mehr Strom produziert werden könnte, wehren sich die EWO gegen eine Veränderung der Lungererseebewirtschaftung, weil im Winter „dreckiger“ Atom- und Kohlestrom zugekauft werden müsste und die Verlagerung der Stromproduktion vom Winter in den Sommer unter dem Strich mehr kostet. Der Seespiegel des Lungernsees ist nach wie vor ein Politikum.


Trailer von „Härdepfel im See — Wie die Lungerer ihren See vertrieben“ (Doku-Spielfilm, 2011, 80 Min., Schweizerdeutsch) von Riodi und Luke Gasser — www.lukegasser.ch

Altes Holzhaus an der Strasse nach Bürglen, einem Weiler von Lungern

Der See (4)

Der Lungernsee — im Sommer ein Postkartenidyll (Blick Richtung Süden mit Wetterhorn im Hintergrund)

Tote Schlange am Wegrand

Dass der Lungernsee nicht immer ein Postkartenidyll ist, zeigt die andauernde Diskussion über die hässlichen Stauseeränder im Winter, aber auch die Geschichte der zwei Leichen, die im Winter 1999 gefunden wurden. Sie waren in Fässer einbetoniert im See versenkt worden. Was der Mörder und seine Gehilfen aber nicht wussten, ist, dass der Seespiegel im Winter massiv abgesenkt wird. So kamen die mafiamässig entsorgten Leichen schneller wieder zum Vorschein als die Täter gedacht hatten. Nachdem die Identität der Fassleichen geklärt war, konnte man auch den Täter und seine Komplizen ausfindig machen und verurteilen. Die Morde, die in Fribourg begangen wurden, hatten aber keinen Bezug zur Mafia, wie ursprünglich vermutet worden war (vgl. NZZ-Online-Artikel vom 16.10.2001).

Der Lungerensee — im Winter eher unansehnlich (Blick Richtung Norden mit Pilatus im Hintergrund)
Wikimedia Commons

Der Wasserfall (5)

Lungern auf der gegenüberliegenden Seeseite

Der untere Dundelbachfall

Bevor wir das südliche Ende des Lungernsees erreichen, sehen wir am gegenüberliegenden Ufer das Dorf Lungern. Am Ende des Sees ist es dann nur ein dreiminütiger Abstecher zum unteren Dundelbachfall, der mitten im Wald eine Felswand runterfällt. Gemäss waterfall.ch beträgt die Fallhöhe 57 Meter, beim oberen Dundelbachfall sind es gar 77 Meter. Obwalden Tourismus handelt die Dundelbachfälle als Geheimtipp — für mich sind es nicht die spektakulärsten Wasserfälle, die ich je gesehen habe, aber der kurze Abstecher hat sich alleweil gelohnt.

Das Dorf (6)

Lungern ist bekannt für seine Bildhauerkunst. In den 1920er Jahren wurde der an der Kunstakademie Rom ausgebildete Holzbildhauer Beat Gasser zum Begründer der Lungerer Schule, deren junge Bildhauer sich später als Künstler selbstständig machten. Ihr Schaffen umfasste vorwiegend sakrale Kunst.

Sogar die Wasserrutsche in der Lungerer Badi ist eine Skulptur.

Es ist ja nicht so, dass Lungern am Arsch der Welt ist, wie der Mundartrocksong im nachfolgenden Youtube-Video suggerieren will. Die 2000-Einwohnergemeinde hat neben einem idyllischen Naturstausee, Wasserfällen, zwei Fassleichen, der Bildhauerkunst und einer wechselhaften Geschichte noch mehr zu bieten:

  • eine Kirche, die 1887 vom hochgehenden Eibach mitgerissen (nur der Kirchturm blieb stehen) und 1893 durch eine neu erbaute Kirche im neogotischen Stil ersetzt wurde,
  • eine Seilbahn ins Ausflugsgebiet Lungern-Schönbühl (mit einer sensationellen Höhenwanderung aufs Brienzer Rothorn), die von 2013 bis 2016 stillgelegt und saniert werden musste und seit der Eröffnung 1961 nun schon den vierten Betreiber hat, und
  • eine weltweit einzigartige Indoor-Schiessanlage Brünig-Indoor, die jährlich über 30’000 BesucherInnen anzieht — nicht, dass ich Schiessanlagen toll finde, aber Schiessen in der Felskaverne ist eine kreative Problemlösung für die sanierungsbedürftigen Obwaldner Schiessstände und reduziert den Schiesslärm.

Lungern Song — Mundartrocksong von unbekannter Band, 2012 auf Youtube hochgeladen von paeddiomlin

Der Lungern Song stammt höchstwahrscheinlich nicht von einer Lokalband, ist doch der Bündner Dialekt des Sängers gut hörbar und rückt der Songtext Lungern und die Lungerer nicht ins beste Licht. Während die Gitarrensoli bestechend gut sind, vermögen die bitterbösen Lyrics nicht immer zu überzeugen, legen aber erstaunlich viel Lokalkenntnis an den Tag, auch wenn es das besungene Café Bijou inzwischen nicht mehr gibt. Lungern ist weltoffener und innovativer als der Song behauptet, aber auch ein bisschen querköpfig, stur und eigen.

⇒ Der Mönch im Lungernsee auf stories & places

Share

Digitale Collagen

$
0
0

Vorgestern war im Seminar für Filmwissenschaft der Universität Zürich Vernissage: Monika Obermayr zeigt „Buster Keaton / Len Lye — Digitale Collagen“, die sie aus Buster Keatons Stummfilm „Balloonatic“ von 1923 und aus Len Lyes farbigem Experimentalfilm „A Colourbox“ von 1935 zusammenfügt. Buster Keatons Schwarzweissbilder bekommen in der Kombination eine expressive Farbigkeit.

Ausgangspunkt für Monika Obermayrs „Buster Keaton / Len Lye — Digitale Collagen“ ist ein Forschungsseminar von Margrit Tröhler an der Universität Zürich im Herbstsemester 2015: Unter dem Titel „Stummfilm-Burleske: Körpersprache und kinematische Präsenz“ beschäftigten sich die SeminarteilnehmerInnen mit genderspezifischer Körperlichkeit, Bewegung und burlesker Akrobatik im Stummfilm. Anhand des Buster-Keaton-Films „Balloonatic“ führte die Zürcher Künstlerin ihre Forschungsarbeit auf einer künstlerischen Ebene weiter.

Buster Keatons „Balloonatic“ (USA 1923) diente als Ausgangsmaterial für die digitalen Collagen von Monika Obermayr.

Buster Keaton (1895 – 1966) — der Mann, der niemals lachte — ist mit seiner steinernen Miene ein Ikone des Stummfilms. Sein blasses, schmallippiges Gesicht ist deshalb auch eine ideales Bildzitat. Sein Film „Balloonatic“ ist aber noch aus einem anderen Grund eine interessante Bildquelle für die Künstlerin Monika Obermayr, die sich bildnerisch mit dem Verhältnis Mann – Frau, Männerrolle – Frauenrolle auseinandersetzt: Keatons Filmpartnerin Phyllis Haver spielt – im Gegensatz zu anderen Stummfilmen – nicht nur die Angebetete, sondern eine aktive, eigenständige Rolle.

Die expressive Farbe in Obermayr Collagen stammt aus einer anderen filmischen Bildquelle: Len Lye (1901 – 1980) war ein neuseeländischer Künstler und Pionier des Farbfilms.

Highlight-Mix aus Len Lyes Experimentalfilmen „Kaleidoscope“, „A Colour Box“ und „Colour Flight“ (UK 1935-37) auf Youtube — „A Colourbox“ (UK 1935) lieferte die Farbe für die digitalen Collagen von Monika Obermayr.

Ein Blick auf die Homepage von Monika Obermayr zeigt, dass die im filmwissenschaftlichen Seminar ausgestellten „Digitalen Collagen“ eine konsequente Fortsetzung ihrer künstlerischen Arbeit sind: Waren frühere Arbeiten noch geometrisch streng verwobene Collagen, sind in den aktuellen Werken die Übergänge zwischen den verarbeiteten Bildelementen fliessender, freier, lockerer… Und die Spannung zwischen dem Schwarzweiss aus dem kontrastreichen Buster-Keaton-Film und der expressiven Farbe aus dem Experimentalfilm von Len Lye bringt einen zusätzlichen Reiz in die Collagen von Obermayr. Die serielle Hängung der oft quadratischen Digitalprints, die auf Aluplatten aufgezogen sind, passt gut zum filmischen Charakter des verwendeten Bildmaterials und zum Ort der Ausstellung. Buster Keaton / Len Lye — Digitale Collagen von Monika Obermayr — eine kleine, aber feine und sehr sehenswerte Ausstellung in den Gängen des Seminars für Filmwissenschaft in Zürich-Oerlikon.

⇒ Die Ausstellung von Monika Obermayr Buster Keaton / Len Lye — Digitale Collagen (Begleitblatt als PDF) dauert noch bis 30. März 2018 und ist Montag bis Freitag, von 10 bis 17 Uhr öffentlich zugänglich.
⇒ Das Seminar für Filmwissenschaft befindet sich im 2. Stock an der Affolternstrasse 56 in 8050 Zürich (200 m vom Bahnhof Oerlikon)
⇒ Das Seminar für Filmwissenschaft auf stories & places.

Share

Kunst auf dem Flugplatz

$
0
0

Am 12. Mai war im Skulpturenpark Ennetbürgen „Vernissage“: Von den 50 Skulpturen, die auf dem Flugplatz Buochs jederzeit besichtigt werden können, sind vier neu hinzugekommen. Nur noch zwei Tage zu besichtigen ist die Zeichnungs- und Malperformance «startenlandenstarten» von Christine Bänninger und Peti Wiskemann.

Zwölf Jahre gibt es den Skulpturenpark Ennetbürgen schon und jedes Jahr kommen einige Werke hinzu, während andere verschwinden. Von den aktuell 50 Skulpturen des Parks sind 25 Werke oben abgebildet. Einen guten Eindruck vermittelt auch der Video-Rundgang von art-tv, der 2016 zum zehnjährigen Jubiläum entstanden ist:

«Zum Einen – zum Ändern» von Heini Gut

Doch viele der ausgestellten Skulpturen entfalten ihre volle Wirkung erst im Austausch mit der Umgebung, wie z.B. die Buchstabenarbeit von Heini Gut, die wie ein künstlerischer Kommentar zur Bauerei im Hintergrund wirkt. Das Vorher-Bild (rechts) stammt der Homepage des Skulpturenparks und ist vermutlich 2014 entstanden. Entfernt erinnert dieses Werk an den berühmten Hollywood-Schriftzug, doch im Gegensatz dazu hat diese Arbeit eine andere Seite: „ZUM EINEN“ steht da in grossen Lettern vor dem unveränderlichen Stanserhorn.

50 Skulpturen

Die 50 Skulpturen unterscheiden sich in der Grösse und Art und Weise, wie sie in die Umgebung eingebettet sind:

«Cloud» von Josua Wechsler (2016)
«untitled, chewed// 16» von Markus Schwander (2006/2010)

Die einen sind gross, raumgreifend und von weitem sichtbar, wie die Skulptur von Josua Wechsler, die zu den Wolken am Himmel eine weitere «Cloud» hinzufügt.

Andere wiederum sind klein und unscheinbar, haben aber ihren eigenen Charme und Witz, wie das Werk «unter Tage» von Roland Herzog, das aus sieben bronzenen Maulwurfshügel besteht, die hier nicht abgebildet sind. Sehr gut in Umgebung eingebettet ist auch der „Beton-Kaugummi“ von Markus Schwander, der sich von den Steinen am Bach kaum unterscheidet.

Dieses Jahr neu

«Schweife» von Rochus Lussi (2017)
«Relief I» von Otto Müller (1953)
«Tende» von Henri Spaeti (2018)
«Schiff» von Andi Rieser (2006-2018)

Nicht neu, aber zum vierten Mal neu bestückt ist Rochus Lussis Mini-Kunsthalle. 2015 besetzte ein Wolf die ausrangierte Telefonkabine. Jetzt sind es «Schweife» aus Lindenholz, die Lussi zu einem Kuhschwänze-Reigen arrangiert hat — ein „surreales Monument zwischen Bodenhaftung und Kometenfahne“, wie Urs Sibler im Booklet zur aktuellen Ausstellung schreibt.

Recht alt, aber neu ausgestellt ist das Bronze-Relief von Otto Müller (1905-1993), eines der bedeutendsten Bildhauer der Schweiz im 20. Jahrhundert. Das 1953 entstandene Werk ist eine Leihgabe der Stiftung Trudi Demut und Otto Müller und zeigt eine aufs Wesentliche reduzierte Kuh.

Neu, aber recht vergänglich, ist die begehbare Kunstinstallation «Tende» des Luzerner Künstlers Henri Spaeti, die mit den aufgespannten Planen und dem Sägemehl am Boden den nomadischen Charakter eines Wanderzirkus hat. Mit ihren geometrischen Ornamenten und seriellen Bildern erinnert sie an eine Kultstätte.

Ebenfalls vergänglich ist Andi Riesers Ruderboot aus Holz, das auf dem Steinhuserberg allmählich verrottet. Neu hingegen ist sein 6 m langes «Schiff», das er mit Epoxyharz vom Original abgeformt hat. Das Schiff am Scheidgraben wird zwar nie schwimmen, leuchtet dafür aber geheimnisvoll in der Dämmerung und in der Nacht, weil es mit Nachtleuchtfarbe gestrichen ist.

startenlandenstarten

«Objekt Nr. 397» von Carlo Borer (2007)
Die Kunstpostkarte von Christine Bänninger und Peti Wiskemann ist im Kreuz Solothurn angekommen.

Immer wieder neu, aber noch vergänglicher ist die Kunstperformance «startenlandenstarten» von Christine Bänninger und Peti Wiskemann, die am 8. und 9. Juni 2018 noch einmal zu erleben ist. Von 10 bis 17 Uhr zeichnet und malt das Zürcher Künstlerpaar Dutzende von Postkarten, die Skulpturen aus der Ausstellung zeigen. Von dieser Kunstaktion bleiben letztlich nur die live entstandenen Postkarten, die von den BesucherInnen der Ausstellung geschrieben und vom Künstlerpaar in alle Welt verschickt werden. So ist die Skulptur des Solothurner Künstlers Carlo Borer als Postkarte von Ennetbürgen wieder nach Solothurn ins Restaurant Kreuz gelangt.

Fazit

Der Skulpurenpark Ennetbürgen, auf und vor allem neben dem Flugplatz Buochs gelegen, ist ein lohnenswerter Kunstausflug in die Zentralschweiz. Nicht alle Skulpturen begeistern gleichermassen, aber viele regen zum Nachdenken an und manche sind charmant und witzig. Besonders charmant, aber nur noch an zwei Tagen zu erleben ist die Kunstperformance «startenlandenstarten».

⇒ Homepage zum Skulpturenpark Ennetbürgen
⇒ Anreise mit öV oder Auto: www.skulpturenpark-ennetbuergen.ch/standort/
⇒ Das erwähnte Booklet zur Ausstellung mit aquarellierten Illustrationen von Lorenz Rieser gibt’s bei der Infotafel beim Restaurant Nidair, siehe Google Maps
⇒ «startenlandenstarten» auf Bänninger+Wiskemann — dank der auffälligen orangen Kleidung ist das Künstlerpaar auf dem Parkgelände von weitem zu sehen…

Share

Rationale vs. emotionale Kunst

$
0
0

Gegensätzlicher könnten sie nicht sein, die rational ausgetüftelten Kunstaktionen von Roman Signer, der vor kurzem 80 wurde, und die emotionalen Körperbilder der österreichischen Künstlerin Maria Lassnig (1919-2014). Die Kombination der beiden Ausstellungen im Kunstmuseum St. Gallen hat in ihrer Gegensätzlichkeit einen ganz besonderen Reiz.

Sowohl Roman Signer als Maria Lassnig sind mir als KünstlerInnen schon seit Jahren ein Begriff: Peter Liechtis einfühlsames Künstlerportrait Signers Koffer (Dok, 1995, 84 min., OF, Untertitel in diversen Sprachen) habe ich als schon lange als DVD zu Hause, die ich mir immer wieder mal ansehe, denn: Gefilmt wirken Signers Aktionen immer noch am besten. Obwohl er vehement bestreitet, ein Lausbub (NZZ vom 19.5.2018) geblieben zu sein, huscht nach einer gelungenen Aktion ein zufriedenes, schalkhaftes Lächeln über sein Gesicht. Ebenfalls seit Jahren steht ein 1997 erschienener Katalog, Maria Lassnig — Be-Ziehungen und Malflüsse, in unserem Büchergestell. Wann und wo ich die zugehörige Lassnig-Ausstellung gesehen habe, weiss ich nicht mehr, aber die expressive Farbigkeit und Körperlichkeit ihrer Bilder haben sich mir eingeprägt. Als wir Anfang Juni in St. Gallen waren, haben wir uns deshalb die beiden Ausstellungen Spuren von Roman Signer und Be-Ziehungen von Maria Lassnig angesehen.

Dreiphasenkunst

Früher als „Spreng-Künstler der Nation“ belächelt (vgl. Schnorri + Schlarpi weggeblasen), ist Signer heute ein weltweit anerkannter und gefragter Künstler. Seine Kunst ist inzwischen weniger knallig, aber mindestens so poetisch wie früher:


Der Beitrag von 10vor10 über Roman Signer und seine Kunst erklärt, warum Signer als Künstler so beliebt ist, zeigt seine wohl bekanntesten Aktionen und wie das blaue Fass ins Feld rollt, beantwortet aber auch die Frage, ob Signer tatsächlich x-mal mit dem Velo um die beiden Säulen fährt.

In 10vor10 sagt Roman Signer zum Sinn seiner Kunst: „Die Menschen wieder sensibel machen, dass sie so etwas überhaupt betrachten können, und sensibel werden für die kleinen Gegebenheiten, das ist der Sinn.“ Und so produziert Signer weiterhin Kopfkino: Das was passieren könnte oder bereits passiert ist, soll sich im Kopf des Betrachters, der Betrachterin noch einmal abspielen. Der Tagesanzeiger vom 29.5.2018 bezeichnet dies als Dreiphasenkunst und schreibt, es gebe bei Signers Kunst immer ein Vorher, ein Nachher und ein Dazwischen. Einige Werke, die in Spuren zu sehen sind, zeigen das Nachher, aber 50 Skizzen, Studien und Projekte an den Wänden zeigen das Vorher — also Werke vor ihrer Realisierung. Ein Spezialfall ist die Installation «Stehende Holzbalken», die zwar fertig aufgestellt ist, aber das Potenzial hat, dass jederzeit etwas passieren kann. Das Dazwischen ist repräsentiert durch sechs digitalisierte Super-8-Filme, die in Endlosschlaufen sechs Kunstaktionen zeigen, die Signer 1982 im Kunstmuseum St. Gallen realisiert hat. Hoffentlich produziert Roman Signer noch viel poetisches Kopfkino, das zum heiteren Nachdenken anregt!

Visualisierung der eigenen Körperwahrnehmung

Ganz anders, aber ebenfalls zum Nachdenken anregen Maria Lassnigs Bilder in der Ausstellung Be-Ziehungen: Sie zeigen über fünfzig Jahre Entwicklung dieser österreichischen Künstlerin, die sich immer wieder neu erfunden hat und dennoch die roten Fäden in ihrem Schaffen nie aus den Händen gegeben hat:


Der Beitrag von arttv.ch über die Ausstellung «Be-Ziehungen» im Kunstmuseum St. Gallen vermittelt einen guten Eindruck von den ausgestellten Werken und zeigt die Bedeutung von Maria Lassnig (1919-2014) für die Gegenwartskunst des 20. Jahrhunderts auf.

Mit ihren „Body Aware Paintings“, ihren Körpergefühlsbildern, habe sie grossen Einfluss gehabt, auch auf eine jüngere Generation, sagt Direktor und Kurator Roland Wäspe, sie sei ein Monument, an dem man sich als Künstler abarbeite. Seit ihrem Aufenthalt in New York (1968-1980) habe sie auch grosse Bedeutung für die feministische Kunstszene. Anyway, Maria Lassnig hat mit ihrer körperbezogenen Malerei hat die Gegenwartskunst des 20. Jahrhunderts geprägt wie keine andere. Und wenn das St. Galler Kunstmuseum auch nur einen kleinen Ausschnitt aus dem umfangreichen Werk Lassnigs präsentieren kann, habe ich doch einen guten Einblick ins Leben und Schaffen dieser herausragenden Künstlerin erhalten.

Fazit

Den Besuch der beiden Ausstellungen Spuren von Roman Signer und Be-Ziehungen von Maria Lassnig kann ich nur empfehlen. Ihre Gegensätzlichkeit in der Herangehensweise — rationale vs. emotionale Kunst — verleiht der Kombination der beiden Ausstellungen einen besonderen Reiz.

Share

Gemalte Musik

$
0
0

Die letzten Töne des diesjährigen Jazzfestival Willisau sind verklungen, doch visuell ist die Musik immer noch präsent in den LIVE JAZZ PAINTINGS von Werner Meier, die noch bis Donnerstag im Rathaus Willisau zu sehen sind. Werner Meiers gemalte Musik ist ein Hingucker!

1982 hat der Luzerner Künstler Werner Meier damit begonnen, Jazzkonzerte live zu malen. Inzwischen sind über 1000 solche Live Jazz Paintings entstanden, aber so genau weiss es der Zeichner und Maler gar nicht, weil er nie Buch geführt hat. Kennen gelernt habe ich Werner Meier vor gut einem Jahr, als er bei mir im Kreuz Solothurn das hochkarätige Jazztrio Peter Schärli (Trompete), Juarez Moreira (Gitarre), Hans Feigenwinter (Piano) aquarellierte:

Peter Schärli (Trompete), Juarez Moreira (Gitarre), Hans Feigenwinter (Piano) spielen die Musik, die Werner Meier (rechts, vor dem Flügel) malt.

Wer einen Eindruck von der Musik bekommen will, die Werner Meier gemalt hat, hört sich die Tracks 7 bis 9 der Sample-CD auf Peter Schärlis Homepage an oder schaut sich das Youtube-Video aus dem Jazzclub Aarau an:


Schärli – Moreira – Feigenwinter am 6.11.2014 im Jazzclub Aarau

Einladungskarte zu Werner Meiers Ausstellung im Rathaus Willisau

Ausstellung und Buch

Die meisten LIVE JAZZ PAINTINGS, die Werner Meier in Willisau zeigt sind bunt, farbig, energiegeladen. Pirmin Bossart beschreibt in der Luzerner Zeitung vom 23.8.2019 als Klang-Bild-Explosionen in Echtzeit. Der Artikel stellt den Bildband VISUAL MUSIC vor, der gerade noch rechtzeitig zur Ausstellung fertig wurde. Werner Meier hat einen immensen Aufwand betrieben, um seine Live Jazz Paintings zu dokumentieren. Im Buch sind 187 seiner über 1000 live gemalten Bilder versammelt. Dazu gibt es Texte von Peter Fischer, Fred Licht, Niklaus Troxler u.a. sowie ein Künstler-Interview von Pirmin Bossart. Ausserdem eine alphabetische Liste der 1639 gemalten Musikerinnen und Musiker sowie eine Entschuldigung an all diejenigen, die nicht aufgeführt sind.

„Werner Meier malt das Unsichtbare.“
Peter Fischer, Ex-Direktor Kunstmusuem Luzern und Zentrum Paul Klee Bern

Werner Meiers gemalte Musik ist noch bis Donnerstag, 5.9.2019, zu besichtigen. Die Ausstellung LIVE JAZZ PAINTINGS im Rathaus Willisau ist jeweils von 17 bis 20 Uhr offen und der Künstler ist anwesend. Das von Werner Meier konzipierte und wunderschön gestaltete Buch VISUAL MUSIC (263 Seiten, mit 187 farbigen Reproduktionen und etlichen Fotos, ISBN 3-906988-05-X, CHF 48.-) ist in einer Auflage von 500 Exemplaren im Eigenverlag von Werner Meier Luzern erschienen.

Das Cover von VISUAL MUSIC – Werner Meiers gemalte Musik in Buchform

⇒ Homepage von Werner Meier: www.wernermeierluzern.ch
⇒ Email für Buchbestellung: Emailkontakt

Share

Die falsche Tasse zum Film

$
0
0

Frau Frogg hat eine lustige Angewohnheit: Sie erinnert sich anhand von Tassen an vergangene Ferien. Als letzthin der Restitutions-Thriller Die Frau in Gold im TV kam, dachte ich mir: „So eine Klimt-Tasse mit der goldenen Adele haben wir doch auch.“ Doch ein Blick in unseren Küchenschrank zeigte: Meine Frau hat die falsche Tasse im Schrank!

Ich hätte nicht gedacht, dass die Filmindustrie mal einen brauchbaren Spielfilm zum Thema Raubkunst und Rückerstattung produzieren würde. Im Zentrum des 2015 als Woman in Gold herausgekommenen Films mit Helen Mirren, Ryan Reynolds und Daniel Brühl in den Hauptrollen steht die Goldene Adele, das Portrait von Adele Bloch-Bauer, das Gustav Klimt 1907 gemalt hatte. Der Wiener Industrielle Ferdinand Bloch-Bauer hatte das Porträt seiner Frau in Auftrag gegeben und bezahlt. Der Fall Republik Österreich v. Altmann landet vor dem Supreme Court der USA und wird schliesslich — entgegen aller Erwartungen — von einem Schiedsgericht in Wien zu Gunsten der Erben entschieden. Nach acht Jahren juristischem Hickhack wurden 2006 insgesamt fünf Klimt-Bilder an Maria Altmann, Nichte von Adele Bloch-Bauer, zurückgegeben.


Trailer zu „Die Frau in Gold“ von Simon Curtis („Woman in Gold“, GB 2015, 109 min.)

Selbstverständlich gab es bei einem von einer wahren Geschichte inspirierten Spielfilm auch Kritik, vor allem bezüglich Faktentreue: „Denn gewiss war es nicht Maria Altmanns Rechtsanwalt und Enkel des Komponisten Arnold Schönberg, der die Causa ins Rollen brachte“, schrieb Olga Kronsteiner im Wiener Standard. „Ein Eindruck, der entsteht, eben weil Faktentreue in bestimmten Sequenzen fehlt. Sie tritt zugunsten des Darstellers in den Hintergrund, der beim Publikum dafür Sympathiepunkte sammeln darf.“ Es war vielmehr der Journalist Hubertus Czernin, der die entscheidenden Dokumente gefunden und die Erben informiert hat. Im Fall Republik Österreich v. Altmann, in dem es nicht nur um die Goldenen Adele, sondern um die Restitution von insgesamt fünf Klimt-Werken ging, spielte Czernin eine entscheidendere Rolle als im Film, während Schönberg tatsächlich weniger wichtig war. Dass Czernins Vater ein Nazi war, wusste Czernin zum damaligen Zeitpunkt noch nicht, konnte also auch nicht — wie im Film behauptet — der Auslöser für seine Recherchen sein. Im Film verlässt Maria Altmann 1938 ihren kranken Vater, um sich in einer hochdramatischen Last-Minute-Flucht ins Ausland abzusetzen, in Tat und Wahrheit sei sie aber bei ihm geblieben, bis er im Juli 1938 eines natürlichen Todes starb, und sei erst dann mit ihrem Mann geflohen (vgl. Wikipedia).

=>Anyway, wer sich selber ein Bild machen will, kann das tun: Hier ist eine Liste von Streaming-Diensten. Die Frau in Gold ist aber immer wieder im Fernsehen, das nächste Mal am 10. April im Ersten, mit Wiederholungen am 12. und 13.4. in der ARD-Mediathek ONE.

Österreichs Mona Lisa

Adele Bloch-Bauer I. – 1907 gemalt von Gustav Klimt (1862 – 1918) – Quelle: Wikimedia Commons

Gustav Klimts Adele Bloch-Bauer I., die Goldene Adele, entstand 1907 im Auftrag des Zuckerfabrikanten Ferdinand Bloch-Bauer. Als seine Gattin Adele 1925 starb, verblieb das Bild in seinem Besitz. Als Österreich 1938 mit dem „Anschluss“ Teil des Deutschen Reiches wurde, floh Bloch-Bauer über die Tschechoslowakei in die Schweiz. Bloch-Bauers Vermögen*) und die Kunstsammlung wurde von den Nationalsozialisten enteignet auf der Basis eines Steuerverfahrens, das 1938 vom Finanzamt der Wieden in Wien eingeleitet wurde. Der kommissarische Verwalter (treffender wäre wohl Vermögensliquidator) konnte die Klimt-Bilder vorerst nicht veräussern, weil sie nicht dem nationalsozialistischen Kunstgeschmack entsprachen. 1941 dann kaufte sie die Moderne Galerie (jetzt Österreichische Galerie Belvedere), wo sie über sechzig Jahre lang die Prunkstücke der Sammlung waren.

2006 musste sich Österreich von Adele verabschieden. „Ciao Adele“ entpuppte sich allerdings als Kampagne einer Werbefirma. Bild: Manfred Werner auf Wikimedia Commons.

Aufgrund des Österreichischen Bundesgesetzes von 1998 über die Rückgabe von Kunstgegenständen und der im Film dargestellten juristischen Auseinandersetzung restituierte die Österreichische Galerie Belvedere 2006 die fünf Klimt-Bilder an Maria Altmann, die Nichte der Bloch-Bauers. Maria Altmann wiederum verkaufte die Goldene Adele für angeblich 135 Mio. $ an Ronald Lauder mit der Auflage, das Bild müsse öffentlich zugänglich sein. Seither hängt die Goldene Adele in der Neuen Galerie in New York.

Die richtige Tasse

Das wäre die richtige Tasse zum Film „Die Frau in Gold“

Auf der Ferienerinnerungstasse (auf dem Bild oben rechts), die Frau Frogg letztes Jahr auf dem Wiener Naschmarkt erstanden hat, prangt zwar auch eine Ikone Österreichs: das Kaiserpaar Franz Josef I. und Elisabeth. Aber das wäre die richtige Tasse zu einer ganzen Film-Trilogie: Sissi (1955) und die Fortsetzungen Sissi – Die junge Kaiserin (1956) und Sissi – Schicksalsjahre einer Kaiserin (1957) mit Romy Schneider und Karlheinz Böhm gehören immer noch zu den erfolgreichsten deutschsprachigen Filmen. Frau Frogg ist eben eine heimliche Royalistin. Dabei war der Souvenirladen voll von Klimt-Devotionalien: goldene Bilder, Tassen, Schirme, Fächer etc. — Frau Frogg hätte also genau so gut die passende Tasse zum Restitutionsthriller kaufen können.

Gerne hätte ich hier ein Bild aus dem kurier.at-Artikel Der Fall Adele präsentiert, was aber aus Copyright-Gründen nicht geht: Es zeigt die richtige Maria Altmann (1916 – 2011) mit der richtigen Tasse.

*) Ferdinand Bloch-Bauer und Otto Pick hatten ihre Anteile an der Österreichischen Zuckerindustrie AG (ÖZAG) zur Sicherheit bei einer Zürcher Bank treuhänderisch deponiert. Die Nachrichtenplattform für die AuslandschweizerInnen www.swissinfo.ch schreibt am 14.4.2005 im Artikel Bisher grösste Zahlung an Holocost-Erben: „Es sei vereinbart worden, dass die Bank in keiner Weise mit den Nazis kooperieren oder deren Forderungen nachgeben soll. Nach dem „Anschluss“ habe die Bank, deren Namen nicht bekannt gegeben wurde, dieses Abkommen aber rechtswidrig verletzt. Sie habe die Anteile gegen den Willen der Aktionäre zu einem Bruchteil des Wertes an einen von den Nationalsozialisten ausgewählten Käufer, den deutschen Geschäftsmann Clemens Auer, übereignet, heisst es in der Entscheidung des Claims Resolution Tribunal (CRT).“ Mit 21.9 Millionen Dollar erhielten Maria Altmann und weitere Erben der Familien Ferdinand Bloch-Bauer sowie Otto Pick vom zuständigen New Yorker Bundesrichter Edward Korman die grösste Einzelrestitution aus dem Schweizer Bankenvergleich, der insgesamt 1.25 Milliarden Dollar umfasst, zugesprochen.

Share

Lee Krasner. Living Colour

$
0
0

Nicht mehr lange, aber sehr zu empfehlen: Lee Krasner im Zentrum Paul Klee in Bern. Sie lebte von 1908 bis 1984, wusste zeitlebens, was sie wollte, und war davon nicht abzubringen. Freunde, Familie und Weggefährtinnen beschreiben sie als sarkastisch, streitlustig, einmalig, ehrlich und brillant. Als eine der wichtigsten Malerinnen der US-amerikanischen Nachkriegsmoderne war sie weit mehr als die Ehefrau von Jackson Polock.

Self-Portrait, um 1928 (Ausschnitt)

Diese Geschichte ist typisch für Lee Krasner: Als sie 1928 in die Aktklasse der National Academy für Design in Manhattan aufgenommen werden wollte, malte sie im Garten ihres Elternhauses auf Long Island dieses Selbstportrait. Doch die Leute von der Academy, erzählte sie gerne, hätten nur einen Blick auf ihr Gemälde geworfen und dann gemeint: „Da haben Sie einen üblen Trick gespielt — tun Sie nie wieder so, als ob sie im Freien gemalt hätten“. Nach ihrem Protest wurde sie widerwillig zugelassen, war aber mit der traditionellen Lehre der Akademie nicht glücklich und klagte über die „völlig sterile Atmosphäre eines dauerhaft erstarrten Mittelmasses“. (Katalog, S. 51)

Ständige Weiterentwicklung

Lee Krasner war ständig auf der Suche nach einer neuen Bildsprache, deshalb entwickelte sich ihr Werk in Werkgruppen. Hatte sie die Möglichkeiten einer Arbeitsweise einmal ausgelotet, brach sie zu neuen Ufern auf.

Little Images, 1946 – 1950

Collage Paintings, 1953 – 1956

„Wenn ich auf mich selbst zurückgreife, dann
sehe ich es gerne als eine Art Wachsen.“
Lee Krasner

Night Journeys, 1959 – 1960

Primary Series, 1963 – 1969

Palingenesis — Wiedergeburt

Palingenesis, 1971

Typisch Krasner: Anders als viele ZeitgenossInnen entwickelte sie nie einen „signature style“ — eine eindeutig wiedererkennbare künstlerische Handschrift. Diese Vorstellung habe sie als „erstarrt“ und „beunruhigend“ empfunden, steht in der Einleitung des Ausstellungsführers. Stattdessen experimentierte sie unablässig, griff dabei auf ihr eigenes Werk zurück, hinterfragte Bestehendes und entwickelte daraus neue Ausdrucksformen. Eines ihrer Hauptwerke heisst denn auch Palingenesis — und es ist kein Zufall, dass dieses Werk die Ausstellungsplakate ziert.

„Entwicklung, Wachstum und Veränderung
gehen weiter. Wandel ist Leben.“
Lee Krasner, 1972

Lee Krasner. Living Colour — eine inspirierende Ausstellung, die das Œuvre einer brillanten Künstlerin zeigt, die sich durch nichts, aber auch gar nichts von ihrem Weg abbringen liess.

Die Ausstellung im Zentrum Paul Klee in Bern ist noch bis zum 16. August zu sehen. Sie wird kuratiert und organisiert vom Barbican Centre, London, in Kooperation mit der Schirn Kunsthalle Frankfurt, dem Zentrum Paul Klee, Bern, und dem Guggenheim, Bilbao. Wer sich vorbereiten will, kann sich den Ausstellungsführer als PDF herunterladen oder sich das informative Digitorial der Schirn Kunsthalle Frankfurt anschauen. Toll gemacht ist auch der Ausstellungskatalog, der im Museumsshop erhältlich ist.


Kulturausflügli nach Stans

$
0
0

Letzte Woche sind wir — eine Kunstfachfrau und ein Kulturflaneur — nach Stans gefahren, um das Kulturprojekt «Wilderwald» des befreundeten Künstlerduos Christine Bänninger und Peti Wiskemann zu besichtigen. Mit viel Zeit und wenig Programm liessen wir uns neugierig treiben und stolperten von unerwarteter Kunst zu überraschender Kultur. Und so wurde aus einem Kulturausflügli ein gehaltvoller Kulturausflug.

Gelandet

«Gelandet» heisst die 2001 entstandene Deckenmalerei des Künstlers Paul Lussi.

Nach einer Schifffahrt von Luzern kreuz und quer über den Vierwaldstättersee nach Stansstad sind wir sozusagen in der Kunst gelandet. «Gelandet» ist denn auch der Titel eines Werks von Paul Lussi auf der Dachuntersicht der Schifflände Stansstad. Die 110 mit Leimfarbe bemalten Kassetten waren eine Entdeckung, die uns faszinierte und an den Bilderhimmel in der Wallfahrtskirche in Hergiswald erinnerte. Entstanden ist diese Kunst am Bau im Rahmen der Ausstellung «Stansstadart 2001», die von der Kulturkommission Stanstad veranstaltet wurde (vgl. visarte zentralschweiz).

Der Wilhelm Busch der Berge

«Stansstad im zwanzigsten Jahrhundert» — visionäre Zeichnung von Pater Emmanuel Wagner (um 1890)

Zwei Häuser weiter stolperten wir in eine kleine, aber feine Ausstellung in der Sust Stansstad. Die Kulturkommission Stansstad gibt noch bis Freitag, 27. August, Einblick in das Werk des Paters Emmanuel Wagner (1853 – 1907). Der Priester und Lehrer an der Stiftsschule Engelberg war vielseitig begabt und betätigte sich auch als Fotograf, Visionär, Zeichner und Kalendermann. „Der Engelberger Mönch Emmanuel Wagner hatte es faustdick hinter den Ohren. Seine visionären Zeichnungen lassen staunen“, schreibt Romano Cuonz in der Luzerner Zeitung. Cuonz bezieht sich in seinem Lead auf obige Zeichnung, die den Nidwaldner Kalender von 1890 zierte und nun raumhoch vergrössert wurde. Sie zeigt einen Zug, der aus einem Tunnel im Lopper auf die Achereggbrücke fährt. Diese Vision wurde erst 1964 Realität. Sehr cool finde ich auch die Frau auf dem Hochrad mit einem Kinderwagen als Veloanhänger.

Der „Wilhelm Busch der Berge“ war nicht nur pfiffiger Zeichner, sondern auch ein ausgezeichneter Fotograf.

Pater Emmanuels humoristischen Zeichnungen hatten etwas von Wilhelm Busch. Der Klostermann war aber auch ein sehr genauer Beobachter, der seine Umgebung fotografisch festhielt. Damals war das Fotografieren mit einem grossen Holzkasten als Fotoapparat, Glasplatten als Bildträger und langen Belichtungszeiten ziemlich aufwändig — umso toller sind Pater Emmanuels Fotos, die wertvolle Zeitdokumente sind.

Seine Unfallfotos sind Kult

Vierzig Jahre lang hielt Odermatt den Nidwaldner Polizeialltag in Fotos fest. Wie schon diese einfache Bildersuche auf Google zeigt, sind seine Bilder mehr als nur Unfallfotos.

Als wir auf dem Stanser Dorfplatz beim Kaffee sitzen, werden neben der Kirche Festbänke aufgebaut. Wir fragen die Bedienung, was das für eine Veranstaltung sei. „Es ist ein Gedenkanlass für den kürzlich verstorbenen Polizeifotografen Arnold Odermatt,“ sagt sie uns. Für alle, die den legendären Polizeifotografen nicht kennen: Der Nidwaldner Arnold Odermatt (1925 – 2021) war Polizist und begeisterter Fotograf. Seine Unfallfotos sind Kult, denn seine Arbeiten wurden 2001 von Harald Szeemann für die 49. Biennale Venedig ausgewählt. 2002 zeigte sie das The Art Institute of Chicago und 2004 das Fotomuseum Winterthur (Wikipedia). Gerne erinnern wir uns an diese schauerlich-schönen Fotos.

Wilder Wald im Weidli

«Wilderwald» ist ein kollektives Kunstprojekt von Menschen mit und ohne Beeinträchtigung.

Bänninger+Wiskemann, das Zürcher Kunstduo, ist immer wieder auch in der Zentralschweiz aktiv, z.B. mit Kunst auf dem Flugplatz. Ganz in der Nähe des Flugplatz Buochs sorgen die beiden jetzt in der Tagesstätte der Stiftung Weidli in Stans dafür, dass Der wilde Wald im Weidli wuchert und wächst (Luzerner Zeitung vom 27.6.2021). «Wilderwald» ist ein kollektives Kunstprojekt von Menschen mit und ohne Beeinträchtigung, die in der Stiftung Weidli leben und arbeiten: KlientInnen der Stiftung bemalen Vorder- und Rückseite von Altkarton, Christine Bänninger und Peti Wiskemann zerschneiden den bemalten Karton in Streifen, die sie dann zusammenbostichen und neben der grossen Rollstuhlrampe der Tagesstätte an der Decke aufhängen — der wilde und vor allem bunte Wald im Weidli wächst also von oben nach unten.

Der wilde Wald im Stanser Weidli wächst und wuchert neben der Rollstuhlrampe von oben nach unten.

Integration ist das treffendste Stichwort zu diesem faszinierenden Kunstprojekt von Bänninger+Wiskemann: «Wilderwald» integriert nicht nur Menschen, die wegen ihrer Beeinträchtigung vom „normalen“ sozialen Leben ausgeschlossen sind, sondern auch ihre Angehörigen und ihr Umfeld, das zu Besuch kommt und den wuchernden Kartonwald bestaunt. Die positive Medienberichterstattung über das Kunstprojekt sorgt dafür, dass die Stiftung Weidli in der Öffentlichkeit mehr Aufmerksamkeit und Wertschätzung erhält, und hilft so, eine unterschätzte, aber unverzichtbare soziale Institution in die Gesellschaft zu integrieren. «Wilderwald» integriert nicht nur über soziale Vernetzung und gesteigerte Akzeptanz, sondern auch als Kunstwerk, das die vier Stockwerke des Gebäudes verbindet: Wie uns der Leiter der Tagesstätte sagte, brauche es zur Überwindung der Höhendifferenzen eigentlich nur einen genügend grossen Lift, aber die „überdimensionierte“ Rollstuhlrampe sei von Anfang an als sozialer Treffpunkt konzipiert worden (breit genug, dass zwei Rollstühle kreuzen können, mit flachen Stellen zum Verweilen) und der wilde Wald steigere die integrative Funktion der Rollstuhlrampe. Die Rollstuhlrampe im Weidli, die schon als Betonskulptur ein halbes Kunstwerk ist, führt wie ein „Baumwipfelpfad“ durch den wilden Kartonwald von Bänninger, Wiskemannn & Co. — kein Chef-d’œuvre im engen Sinn, aber ein grossartiges, kollektives Kunstwerk bezüglich Integration.

Culinarium Alpinum

Das CULINARIUM ALPINUM,
das Stanser Kompetenzzentrum für Kulinarik im Alpenraum, ist auch eine Beiz.

Als ich am Vorabend von unserem Kulturausflügli ein bisschen recherchierte, wo wir allenfalls essen gehen könnten, geisterte das
CULINARIUM ALPINUM im ehemaligen Kapuzinerkloster durch meinen Kopf. Deshalb sind wir zum Abendessen tatsächlich dahin und haben im Klostergarten getafelt und dabei den milden Abend und die Aussicht genossen. Das Restaurant ist Teil des Stanser Kompetenzzentrums für Kulinarik im Alpenraum — wegen Corona hatte es im letzten Herbst keinen einfachen Start, scheint sich aber gut zu entwickeln — bietet abends zur Hauptsache eine Überraschungstavolata mit lokalen und regionalen Produkten an. Das war uns dann doch zu viel, aber die vier Gerichte, die wir aus der reichen Auswahl bestellt haben, waren ausgezeichnet und haben uns überzeugt. Und so wurde aus einem Kulturausflügli ein veritabler Kulturausflug mit einem kulinarischen Highlight als Abschluss.

Später habe ich im Hochparterre 1-2/21 nachgelesen, wie das Culinarium im Kloster (PDF) zustande kam: „Vor gut zwanzig Jahren mussten die Mönche ihr Haus aufgeben. Es begann ein Drama um die Klosterbrache. Der Hauptsitz eines Pharmakonzerns sollte einziehen, Lord Foster die Räume in repräsentativen Glanz verwandeln. Ein zweiter Anlauf der Nidwaldner Regierung scheiterte ebenso. Der dritte hat 2015 mit einem Investorenwettbewerb begonnen. Ein ‹Culinarium Alpinum› sollte es werden, ein Ort, wo die kulinarischen Traditionen der Alpen erforscht, gelehrt, gekocht und verspiesen werden. Das Publikum: Kostgängerinnen und Gutesser, aber auch Köchinnen und Wirte, die hier lernen. Seit letztem Herbst läuft der Betrieb.“ Besser und kürzer als Köbi Gantenbein kann man diese Geschichte nicht zusammenfassen.

Das Programm der Europäischen Tage des Denkmals 2021 und „Baukultur in Nidwalden — Umnutzung und Neuprogrammierung: Das Kapuzinerkloster in Stans“ (Dokumentation der Nidwaldner Fachstelle für Denkmalpflege)

Die Umgestaltung einer abgeschotteten Klosteranlage in ein öffentlich zugängliches Kulinarikzentrum ist kein leichtes Unterfangen, aber, wie das Fallbeispiel Kapuzinerkloster im Rahmen der Europäischen Tage des Denkmals 2021 zeigt, eine Erfolgsgeschichte. Die Idee, aus dem Kloster Stans ein Kompetenzzentrum für die alpine Kulinarik zu machen, ist eine Ko-Produktion der Immobilienentwicklerfirma Senn, die ich von Klimaspuren #9 in St. Gallen kenne, mit dem Ökonomen, Journalisten und Foodscout Dominik Flammer (Public History Food GmbH) und der Immobilienberatungsfirma Wüest Partner. Ob sich auch das Culinarium Alpinum zu einer Erfolgsgeschichte entwickelt, wird sich erst noch zeigen.

Start a> «Wilderwald» in der Tagesstätte Weidli
auf der Kulturflaneur-Karte

Suzanne Valadon – Powerfrau und Künstlerin in Paris um 1900

$
0
0

Vor zwei Jahren habe ich in Zürich-Höngg einen Bildvortrag der freien Kunstvermittlerin Marietta Rohner besucht. Sie stellte Leben und Werk der Künstlerin Suzanne Valadon vor, die im Paris der Jahrhundertwende lebte. Das lebendige und reich bebilderte Portrait hat mir derart gut gefallen, dass ich beschlossen habe, Marietta Rohner mit diesem Vortrag nach Luzern einzuladen und zwar am Donnerstag, 25. November 2021, 19.30 Uhr, im Salon Himmelblau.

Ein Bildvortrag von Marietta Rohner

Flyer zum Bildvortrag über Suzanne Valadon

Suzanne Valadon 1885 (Musée de Montmartre)

Suzanne Valadon (1865-1938), uneheliche Tochter einer französischen Näherin, musste früh zum Lebensunterhalt beitragen. Im Künstlerviertel Montmartre wurde sie bald Modell und Geliebte von Renoir, Toulouse-Lautrec und anderen. Mit 18 Jahren wurde sie Mutter. Sie hatte grosses zeichnerisches Talent, das Edgar Degas erkannte und förderte. Valadon schuf ein reiches Werk als Pionierin der realistischen Aktmalerei. Ein unkonventionelles Leben und Werk, wie es nur in Paris möglich war!

Dieser Bildvortrag ist ein Bestseller der freien Kunstvermittlerin Marietta Rohner: Das reich bebilderte Portrait zeichnet das Leben einer Künstlerin nach, die es nicht einfach hatte und dennoch in der männerdominierten Kunstwelt des Pariser Fin-de-Siècle ihren Weg machte. www.mariettarohner.ch

Nach dem Vortrag gemütliches Beisammensein bei Wein, Brot und Käse. Wir freuen uns auf euren Besuch!

Donnerstag, 25. November 2021, 19.30 Uhr
im Salon Himmelblau (siehe Karte)
Freier Eintritt, Kollekte
Zertifikatspflicht!
 
Für Nachfragen: 041 420 27 46 – Email

Salon Himmelblau

Eingebettete Karte - im Vollbildmodus anzeigen





Latest Images